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Geschichte

Sigrun Hagenow, Kissen handbemalt, Foto: Sigrun Hagenow

Sigrun Hagenow, Kissen handbemalt, Foto: Sigrun Hagenow

Kurzfassung

Bereits 1877 gründete sich in Berlin der erste kunsthandwerkliche Verein als Vorläufer des heutigen Berufsverbandes. Im November 2003 schlossen sich eine Gruppe Brandenburger Künstler und der ehemalige Verein „Kunsthandwerk Berlin e. V.“ zum jetzigen „Berufsverband Angewandte Kunst Berlin-Brandenburg e. V.“ zusammen.

Zur Geschichte des Berufsverbandes

Der Berufsverband für Angewandte Kunst blickt auf eine lange Tradition von Vereinen zur Förderung des Kunstgewerbes zurück.

„Zu den frühesten Gründungen der Kunstgewerbevereine in Deutschland gehörte der Verein für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin, der neben dem Verein Deutsches Gewerbe-Museum zu Berlin bis zu dessen Auflösung 1885 bestand. Seine konstituierende Versammlung aus einer kleinen Gruppe von Künstlern und Kunsthandwerkern fand am 5. November 1877 im Bürgersaal des Berliner Rathauses statt. Nach einigen Wochen zählte der Verein bereits über 300 Mitglieder und bis zur Wende zum 20. Jahrhundert stieg diese Zahl auf etwa 1500 an. [...] Neben Künstlern und Kunsthandwerkern, die oft nur als Entwerfer tätig waren und die Arbeiten nicht selbst ausführten, traten in großem Umfang auch die Besitzer solcher ausführenden Werkstätten und Fabriken, sowie verwandte Berufe, Lehrbeauftragte und auch allgemein am Thema Kunstgewerbe Interessierte bei. [...] Immer wieder setzt sich der Verein für die Vermittlung zwischen Künstlern, Industrie und Handel ein. Bereits 1878 wird eine kunstgewerbliche Weihnachtsmesse organisiert. Neben derartigen Ausstellungsbestrebungen sind in dieser Hinsicht aber vor allem Wettbewerbe zu nennen, die in reichlicher Anzahl entweder vom Verein selbst ausgeschrieben werden oder aber durch Firmen in Vereinszeitschriften veröffentlicht wurden. [...] Wichtige Mitglieder des Vereins für Deutsches Kunsthandwerk in Berlin stehen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg dem 1907 gegründeten Deutschen Werkbund sehr nahe, einer überregionalen Vereinigung von Handwerkern, Entwerfern, Architekten, Ingenieuren und Fabrikanten. [...] Die Verbindung der beiden Vereinigungen ist vermutlich aus einer Personalunion der Berliner Werkbund-Mitglieder und der Mitglieder des alten Kunstgewerbevereins der Stadt erwachsen. [...] Die Interessenten der Kunstgewerbetreibenden in Berlin werden nun stärker von überregionalen Verbänden bestimmt. [...] Die politische Haltung im Deutschen Reich unter nationalsozialistischer Herrschaft führt zu einer Abwendung von der Moderne hinsichtlich ihrer Theorie der Formgebung. 1934 löst sich der Deutsche Werkbund auf" ¹, dessen Richtung als „Irrweg“ bezeichnet wurde und nicht mit der Propaganda für volkstümlich orientierte Handwerkskunst konform ging.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kann die Entwicklung des Berliner Vereins in drei Teile gegliedert werden. Mit der Neugründung am 23. August 1950 sollte die über hundertjährige Tätigkeit des ehemaligen Berliner Kunstgewerbevereins und zuletzt des Vereins für Deutsches Kunsthandwerk Berlin wieder aufgenommen werden. Zweck des Vereins war die Förderung des Kunsthandwerks durch Werbung für die Leistung des Kunsthandwerks, Veranstaltung von und Teilnahme an Ausstellungen, Gewinnung von Aufträgen für das Kunsthandwerk, Vorträge und Besichtigungen und die Förderung des Nachwuchses ² .

1973 konnte durch junge Mitglieder aus den Studiengängen nach 1968 eine gewisse Erstarrung in der Vereinsführung aufgebrochen werden. Transparenz und eine bessere Effektivität in der Vereinsarbeit, schärfere Konturen für die dem Kunsthandwerk zugehörigen Berufsbilder und ein neues Erscheinungsbild des Vereins nach außen wurden mit viel Elan durchgesetzt und können als ein weiterer Abschnitt der Vereinsgeschichte betrachtet werden. Eine vielfältige Ausstellungstätigkeit in Berlin und die Beteiligung an überregionalen und internationalen Ausstellungen sowie Messen prägten einen wesentlichen Teil der Vereinsarbeit der nächsten drei Jahrzehnte ³.

Der Berufsverband heute

Die politische Wende in Deutschland bewirkte auch eine Neuorientierung des Vereins. Anlass war die Jubiläumsausstellung im Jahr 2002, die dazu führte, dass sich im November 2003 eine Gruppe Brandenburger Künstler und der ehemalige Verein „Kunsthandwerk Berlin e. V.“ zum jetzigen „Berufsverband Angewandte Kunst Berlin-Brandenburg e. V.“ zusammenschlossen.

Seit 2005 hat sich die Mitgliederzahl fast verdoppelt und der Verband hat auf Grund weiteren großen Interesses und zahlreicher Bewerbungen einen hohen Stellenwert eingenommen. Dem Verein gehören Künstler an, die in eigenen Werkstätten und Ateliers Objekte und Gebrauchsgegenstände als Einzelstücke oder Kleinserien anfertigen und Prototypen für die serielle Produktion entwickeln. Der Verein sorgt neben fachlichem und künstlerischem Austausch für gemeinsame fachbereichübergreifende Projekte, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Organisation von Ausstellungen.

Zur jüngeren Geschichte des Brandenburger Kunsthandwerks

Die meisten Kollegen im heutigen Verband Angewandte Kunst Berlin-Brandenburg, die im Land Brandenburg zu Hause sind, arbeiten schon seit Jahrzehnten als freiberufliche Künstler in ihren Werkstätten und Ateliers. Als ausstellende Gruppe bzw. mit Einzelpräsentationen auftretende Kunsthandwerker bildeten sie eine lose Gemeinschaft um die Galerie ZOPF in Rheinsberg. Diese Galerie entstand 1991 in Zusammenarbeit mit dem damaligen Brandenburger Verband Bildender Künstler in Potsdam. Im Rückblick stellt sich die Situation positiv dar, denn das künstlerisch gestaltende Handwerk hatte in den letzten zwanzig/dreißig Jahren in der DDR nie die enge Verbindung an die bildende Kunst verloren.

Die ehemaligen Sektionen dieses einzigen Künstlerverbandes war die „Heimat“ vieler Metallgestalter, Keramiker, Textilkünstler, Schmuckgestalter und auch Maler, Bildhauer und Grafiker. In großen gemeinsamen Kunstausstellungen präsentierte man seine Arbeiten der Öffentlichkeit. Unter den Künstlern waren junge, im Beruf noch unerfahrene Gestalter genauso vertreten wie gestandene Persönlichkeiten der Angewandten Kunst.

Die Entwicklung des Kunsthandwerks ist nicht ohne die Nähe Berlins zu verstehen, obwohl sich schon immer ganz bewusst Künstler aus dem geschäftigen Treiben der Hauptstadt zurückgezogen haben. Eine Keimzelle des modernen Kunsthandwerks stellte die Künstlerkolonie GILDENHALL dar, die wesentliche Impulse zur Auffassung von moderner Gestaltung in den zwanziger Jahren auf dem Lande gegeben hat. Fast alle Sparten des Handwerks waren dort vertreten und übten Einfluss auf ihre nächste Umgebung aus. Viele von Ihnen waren später Lehrer an Hochschulen und Akademien für das gestaltende Handwerk. Stellvertretend sei hier Wilhelm Prütz genannt, dessen Metallkunst und spätere Lehrtätigkeit beispielgebend ist für eine moderne Auffassung des Schmiedens.

Auch muss die Weberei der Werkstatt von Henni Jeantsch-Zeymer als Zeugnis bodenständigen Handwerks genannt werden, kann sie doch auf eine über 50jährige Tradition in Geltow bei Potsdam zurückblicken. Ebenfalls sind die HB-Werkstätten für Keramik zu nennen, die von Hedwig Bollhagen Anfang der dreißiger Jahre in Marwitz gegründet wurden. Bis heute produziert dieser Betrieb seine vorbildlichen Produkte. Hedwig Bollhagen gehört zu den Persönlichkeiten, an denen sich Generationen von Kunsthandwerkern orientiert und von ihr gelernt haben.

Inzwischen gibt es kaum ein Gewerk, das nicht im Land Brandenburg ausgeübt wird. Auch hier ist abzulesen, dass die Verschmelzung von Berlin und Brandenburg voranschreitet. Viele Berliner Kunsthandwerker haben ein Domizil im Umland gefunden und Brandenburger Kollegen präsentieren ihre Arbeiten nun in ganz Berlin.

¹ In: 125 Jahre Kunsthandwerk, Vereine in Berlin, Ausstellungskatalog „Echt“, 2002, Museum Ephraim-Palais der Stiftung Stadtmuseum Berlin; Beitrag von Horbas, Claudia, Vereine zur Förderung des Kunstgewerbes in Berlin, S. 50-60
² Ebenda; Beitrag von Kluge-Haberkorn, Christine, Verein für Kunsthandwerk, S. 62
³ Ebenda; S. 66-72